Polarlicht - Polarlichter - Nordlichter - Aurora Borealis - Polarlichter in Deuschland - 20.10.1989 - 21.10.1989 - Geomagnetischer Sturm

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POLARLICHT AM 20./21.10.1989

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Das Geschehen auf der Sonne

Die solare Ursache der Ereignisse vom 20. - 22.10.1989 war eine langlebige Fleckengruppe auf der südlichen Sonnenhemisphäre (Beschreibung in Rendtel 1990). Jene war als AR 5698 erstmals am 16.09.1989 am Ostrand der Sonne erschienen und produzierte bereits am westlichen Sonnerand stehend am 29.09.1989 einen Röntgenflare der Kategorie X 9.8. Als sie am 13.10.1989 - nun als AR 5747 bezeichnet - wieder auftauchte, hatte sie eine sehr komplexe Struktur und eine magnetische Delta-Konfiguration angenommen. Während ihres bis zum 26.10.1989 andauernden Transits über die Sonne produzierte sie 53 Röntgenflares - 27 der Kategorie C, 21 der Kategorie M und 5 der Kategorie X. Damit war sie eine der 10 flareaktivsten Fleckengruppen im Zeitraum von 1976 bis heute. Herausragend war ein Flare der Kategorie X 13.0 am 19.10.1989, welcher zu den 10 stärksten jemals registrierten gehörte. Er war von einem Protonen-Event (SPE) - dem zweitstärksten seit 1976 - begleitet, welches zu einem ausgeprägten Anstieg des Fluxes sekundärer Neutronen am Erdboden führte (Ground Level Event, GLE).

Sonnenfleckengruppe AR 5747 am 19.10.1989 Sonnenfleckengruppe AR 5747 am 19.10.1989
Die Sonnenfleckengruppe AR 5747 am 19.10.1989. Rechts die magnetischen Beobachtungen. Quelle: Debrecen Photoheliographic Data .

Trigger des geomagnetischen Sturms war eine am 20.10.1989 kurz vor 12:00 UT bei der Erde eintreffende Schockfront. Als Quelle wird bereits von Allen (1989) der langandauernde X13-Flare vom 19.10.1989, 12:59 UT (Maximumszeitpunkt), auf S27/E10 ausgemacht (s. auch Lario & Decker 2002).

Verlauf des geomagnetischen Sturms am 20./21.10.1989

Die CME erreichte die Erde nach ziemlich genau 24 Stunden Laufzeit kurz vor 12 UT am 20.10.1989, woraus sich eine Geschwindigkeit von knapp 1800km/s ergibt. Ihre Ankunft löste einen geomagnetischen Sturm aus, welcher rund 40 Stunden andauerte. In seinem Verlauf stieg der Kp-Wert in zwei Dreistunden-Perioden (20.10.1989, 21-00 UT und 21.10.1989, 9-12 UT) auf den Wert 8+. Der Flux relativistischer Protonen erreichte sein Maximum erst gegen 16:50 UT, also rund 5 Stunden nach Ankunft der CME. Zu diesem Zeitpunkt nahm der geomagnetische Sturm an Intensität noch einmal zu; gleichzeitig trat ein Forbush-Event auf. Nach Lario & Decker (2002) lässt sich die Verlängerung der "Protonen-Rampe" über die Ankunft der CME hinaus mit dem Durchlauf zweier Schockfronten erklären.
Der DST-Index sank im Verlauf des geomagnetischen Sturms bis auf einen Wert von -268 nT. Balan et al. (2016) haben eine neuen Parameter DSTmp eingeführt, dessen Wert direkt mit der Stärke eines geomagnetischen Sturms und dessen dadurch verursachten Folgen korrespondiert. Hier steht das Event vom 20./21.10.1989 an 10. Stelle im Zeitraum 1957 bis heute und damit deutlich vor dem bekannten Bastille Day-Event im Juli 2000.

Kp-Werte vom 19. - 23.10.1989
Kp-Werte vom 19. - 23.10.1989. Quelle: Michael Theusner

Allen (1989) berichtet über Folgen des geomagnetischen Sturms:
- Magnetopause-Durchgang der GOES-Satelliten
- Funktionsstörungen diverser Satelliten in hohen und niedrigen Umlaufbahnen
- Spannungsschwankungen in einem Untersee-Kabel zwischen Japan und den USA

Datenplots zum geomagnetischen Sturm am 20./21.10.1989
Datenplots zum geomagnetischen Sturm am 20./21.10.1989.
1. Plot: Flux der solaren Röntgenstrahlung. Der X13-Flare, welcher die erdgerichtete CME hervorbrachte, ist durch einen Pfeil markiert.
2. Plot: Flux relativistischer Protonen. Das Maximum wird erst nach Ankunft der CME (Pfeil) erreicht.
3. Plot: Flux sekundärer Neutronen aus der kosmischen Strahlung. Das Forbush-Event setzt mit dem Maximum des Protonen-Flux ein (dicker Pfeil). Die dünnen Pfeile markieren Ground Level Events in Folge Protonen-Events auf der Sonne.
4. Plot: Magnetfeldschwankungen im Bereich der geostationären Umlaufbahn. Die Unruhe setzt bei Eintreffen der CME aus dem X13-Flare ein, erreicht aber erst einige Stunden später ein Maximum. Ein zweites Maximum stellt sich am Mittag des 21.10.1989 ein.
Quelle: NOAA.

Im Zuge des geomagnetischen Sturms wurden am 20. und 21. Oktober Polarlichter bis in niedrige geomagnetische Breiten beobachtet, so z.B. in Japan (Oliver et al. 1991), Australien und Florida (Allen 1989). Im Web finden sich Fotos aus Schottland, den USA (Minnesota) und Australien.

Das Wetter in Deutschland

Satellitenbilder (s.u.) zeigen, dass in der Nacht 20./21.10.1989 zunächst in der Nordhälfte Deutschlands klarer Himmel herrschte. Im Laufe der späteren Abends zogen aber auch dort von Südwesten her Wolken herein.

Bewölkung am 13.03.1989 um192 Uhr MEZ Bewölkung am 20.10.1989 um 22 Uhr MEZ Bewölkung am 21.10.1989 um 01 Uhr MEZ

Bewölkung über Mitteleuropa am 20.10.1989 um 19 und 22 Uhr MEZ sowie am 21.10.1989 um 01 MEZ.
Klicken Sie bitte auf die Karten, um vergrößerte Ansichten in einem separaten Fenster zu öffnen.
Quelle: ISCCP-B1 Daten nach Knapp, K. R. (2008): Scientific data stewardship of International Satellite Cloud Climatology Project B1 global geostationary observations. Journal of Applied Remote Sensing, 2, 023548 (doi:10.1117/1.3043461).

Beobachtungen des Polarlichts in Deutschland

Nach dem Eintreffen des CME aus dem X13-Flare konnten am Abend des 20.10.1989 in der wolkenfreien Nordhälfte Deutschlands ab 19:45 MEZ helle Polarlichter beobachtet werden, welche bis 23:20 MEZ anhielten. Aus der zweiten Nachthälfte scheinen keine Beobachtungen vorzuliegen, obwohl der geomagnetische Sturm sich fortsetzte. Möglicherweise spielte die immer weiter zunehmende Bewölkung dabei eine Rolle. In der Folgenacht (21./22.10.1989) hielt der geomagnetische Sturm weiter an, wobei im Intervall 18 - 21 UT der Kp-Wert noch einmal auf 8o anstieg. Erneut wurden Polarlichter beobachtet, über die außer einer kurzen Anmerkung ("Mehrere Orte; Intensität wesentlich geringer als in der Vornacht") in Rendtel (1991) keine Informationen vorliegen. Umso besser dokumentiert sind die hellen Aurorae vom Abend des 20.10.1989. In Sterne und Weltraum wurde eine Bilder-Galerie veröffentlicht (Binnewies 1990). Die dort präsentierten Fotos wurden überwiegend zwischen 19:45 und 20:50 MEZ aufgenommen und zeigen rote Flächen und Beamer, grüne Flecken sowie einen grünen Vorhang. Danach ließ die Aktivität offenbar zunächst nach, um zwischen 23:00 und 23:50 MEZ erneut aufzuleben; jetzt zeigten sich neben roten und grünen Flecken großflächig zweifarbige (unten grüne, oben rote) Beamer.

Eine ausführliche Dokumentation der ersten Aktivitätsphase verdanken wir einer Gruppe um Jürgen Rendtel, welche sich am Zernsee bei Golm (westlich Potsdam) zur Meteorbeobachtung getroffen hatte (Rendtel 1990) und dort von dem Polarlicht überrascht wurde. Die niedergeschriebenen Eindrücke werden nachstehend auszugsweise zitiert (Zeiten in UT = MEZ - 1 Stunde):
19:00: Im Nordwesten leuchtet zwischen Lyr und UMi eine Fläche bis in etwa 50° Höhe rot auf, deren Helligkeit pulsiert. Das Ganze ähnelt einem Vorhang, der häufig von hellen (gelblichen?) Strahlen durchsetzt wird.
19:10: Weiter im Norden erscheint horizontnahe ein Band ... Die Helligkeit dieses ruhigen Aurora-Bogens nimmt schnell zu. Dennoch bleibt die Farbe blaß, am ehesten mit Blaßgrün zu charakterisieren ... darüber bleiben rote Schleier bis in 40° Höhe über Nordwesten sichtbar ...
19:15: Ausbreitung der Erscheinung nach Nordosten ...
19:25: Fast genau am Polarstern bildet sich innerhalb weniger Sekunden eine ebenfalls grünliche Fläche. Sie erscheint wie eine Wolke, deren Ausdehnung schnell etwa 20°x10° erreicht. Ihre Helligkeit wird derart groß, dass deutlich Schatten geworfen werden! Dabei pulsiert die Wolke (in Intensität und Ausdehnung). Sie bleibt diffus begrenzt, wird nicht strahlenförmig. Sterne bis zu +2m werden einfach überstrahlt, obwohl der Himmel sonst klar ist ...
19:30: Insgesamt sinkt die Intensität, der Bogen ist fast verschwunden ... Die intensive "Wolke" driftet stetig in Richtung Westen und verblasst dort. Die letzte Wahrnehmung des Phänomens wird um 19:43 UTC notiert.

Zwischen 20:10 und 20:50 MEZ* beobachtete Jörg Kaufmann den gleichen Substorm einige hundert Kilometer weiter nordwestlich in Wrohm:
Das Polarlicht ist zweigeteilt. Richtung Norden erscheint das Polarlicht in einem 180° Sektor als riesiger hoher Wasserfall (Höhe ca. 75° bis 80°). Aus dieser Höhe fließen orangene Wellen zum Erdboden. Im Südosten befindet sich in ca. 50° Höhe ein elliptischer weißer Fleck, aus dem fächerartig 12 bis 15 weiße Strahlen Richtung Erde austreten. Auch die weißen Strahlen verlaufen wellenartig. Die Dauer einer Welle beträgt von Austritt aus der Ellipse bis zum Erreichen des Bodens ca. 60 bis 90 Sekunden. Der restliche Himmel hat bis auf einen 45° großen Sektor Richtung Südwest eine gleichmäßige starke orangene Färbung. Somit sind 7/8 des Himmels vom Polarlicht bedeckt. Sterne sind aufgrund des sehr hellen Polarlichts kaum zu erkennen.

* Die Angabe 19:10 bis 19:50 MEZ im Originalbericht dürfte sehr wahrscheinlich auf einem Irrtum beruhen, denn die Meteorbeobachter bei Potsdam waren um diese Zeit bereits draußen und bemerkten vor 20:00 MEZ nichts von dem Polarlicht.

Nachstehend sind die 10 namentlich bekannten Beobachter der Polarlichter vom 20.10.1989 alphabetisch aufgeführt:
- Peter Bluhm, Dahlenburg: 1 Foto in Binnewies (1990)
- Uwe Freitag, Lübeck: 3 Fotos im Polarlicht-Archiv; 2 Fotos in Binnewies (1990)
- Jens Gärtner, Solingen: 1 Foto in Binnewies (1990)
- Michael Karlewski, Rullstorf: 1 Foto in Binnewies (1990)
- Jörg Kaufmann, Wrohm: Bericht im Forum des Arbeitskreises Meteore e.V.
- Dieter Klatt, Oldenburg: 3 Fotos in der Bildergalerie des Arbeitskreises Meteore e.V., 1 Linoldruck in Binnewies (1990)
- Dirk Martinek, Dinslaken: 5 Fotos in Binnewies (1990)
- Jürgen Rendtel, Zernsee bei Golm: Ausführlicher Bericht und 4 Fotos in Rendtel (1990)
- Ralf Thiele, Wentorf: 1 Foto in Binnewies (1990)
- Uwe Wohlrab, Schönebeck: 1 Foto in der Bildergalerie des Arbeitskreises Meteore e.V.

Offenbar gingen bei der Redaktion von Sterne und Weltraum weitere Meldungen ein, denn Riepe & Binnewies (1990) berichten, dass 10 Personen Fotos eingesendet hätten. In dem Beitrag von Binnewies (1990) waren davon aber nur 7 berücksichtigt wurden. Zudem erwähnt Rendtel (1991), dass das Polarlicht vom 20.10.1989 u.a. in Radebeul und Berlin beobachtet worden sei - Orte, die unserer obigen Aufstellung fehlen.

Arbeitskreis Meteore e.V.: 20./21.10.1989 - Extrem helle rote Vorhänge

Jim Henderson: Aurora over Scotland

Jörg Kaufmann: Vor 27 Jahren - Polarlichter über Deutschland

Werner Kutsche: Aurora, 21 October 1989

John R. Winkler: Great red aurora in "breakup" phase

Literaturangaben zum Polarlicht am 20./21.10.1989

Allen, J.H. (1989): Solar and geomagnetic activity during March 1989 and later months and their consequences at Earth and in Near-Earth space. Spacecraft Charging Technology Conference Naval Postgraduate School, Monterey, California October 31-November 3, 1989. (Download des Artikels als pdf, 1.2 mb)

Balan, N.; Batista, I.S.; Tulasi Ram, S. & Rajesh, P.K. (2016): A new parameter of geomagnetic storms for the severity of space weather. Geoscience Letters 20163:3. (Download des Artikels als pdf, 2.5 mb)

Binnewies, Stefan (1990): Das Polarlicht vom 20. Oktober 1989. Sterne und Weltraum 1990/2, 114-116.

Lario, D. & Decker R.B. (2002): The energetic storm particle event of October 20, 1989. Geophysical Research Letters 29 (10), 32-1 - 32-4. (Download des Artikels als pdf, 465 kb)

Oliver, Willima L.; Fukao, Shoichiro; Takami, Tomoyuki; Tsuda, Toshitaka & Kato, Susumu (1991): Four-beam measurements of ionospheric structure with the MU radar during the Low-latitude auroral event of 20–23 October 1989. Geophysical Research Letters 18 (11), 1975-1978.

Rendtel, Jürgen (1990): Intensive Polarlichter am 20. Oktober 1989. Die Sterne 66 (3), 188-192.

Rendtel, Jürgen (1991): Solare Eruptionen und Polarlichter. Sterne und Weltraum 1991/7, 457-460.

Riepe, Peter & Binnewies, Stefan (1990): Die Polarlichter des Jahres 1989. Sterne und Weltraum 1990/4, 247.

Tanaka, T. & Ohtaka, K. (1996): Ionospheric disturbances during low-latitude auroral events and their association with magnetospheric processes. Journal of Geophysical Research 101 (A8), 17151–17159.